von audioviel » Sa 26. Nov 2022, 10:33
Moin,
mir ist kein Entwickler bekannt, der die Performance seiner Lautsprecher auf einer absoluten Skala einordnet. Dies wäre als Orientierung eine große Hilfe bei der Kaufentscheidung, erweist sich aber immer als schwierige Aufgabe. Vieles ist abhängig vom Geschmack des Hörers, der Akustik im Hörraum, der vorgelagerten Elektronik usw. Dennoch will ich hier einen Versuch riskieren und den Klangeindruck der Countach in einem nachvollziehbaren Rahmen dokumentieren. Auch wenn ein Konsum ohne politische Dimension nicht existiert, werde ich hier keinen Exkurs in diese spannende Korrelation unternehmen; das kommt vielleicht später. Somit zu den Eckdaten dieses kleinen Essays, es folgt die finale Analyse der bisher vorliegenden Eindrücke.
Seit der Inbetriebnahme im Juni 2021 wurden diverse Änderungen in der vorgelagerten Hifi-Kette vollzogen. Dadurch sind die jeweiligen Wirkungen auf den Sound der Lautsprecher nachvollziehbar und lassen sich gut voneinander abgrenzen. Zudem wurde ein irreparabler Mitteltöner ohne Effekte im Gesamteindruck ausgetauscht. Ursächlich war höchst wahrscheinlich ein verirrter Partikel im Magnetspalt, der die Schwingung der Membran behindert hat und ein sehr störendes "Knarzen" produzierte. Ich zitiere aus der Homepage von Alex Gressler: "Dieser reine Mitteltöner ist eine wahre Augenweide. Der strömungsgünstig geformte Gusskorb, der Neodymantrieb und die gesamte Verarbeitung des Chassis gestatten durchaus die Frage, wie all dies zu einem Preis von unter 55,- Euro möglich ist." Vielleicht so: Sämtliche Fotos, die ich von diesem Mitteltöner im Internet finden konnte, entsprechen diesem Eindruck. Das einzige authentische Bild findet sich hier bei uns im Forum - das ist doch interessant! Auch bei SICA gibt es keinen Zauberstab; der damals günstige Preis ist auch eine Frage der Qualitätskontrollen. Inzwischen hat sich der Preis der Chassis fast verdoppelt, was auch das Gesamtprojekt in einen anderen Rahmen stellt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass alle Geräte meiner Kette in der Werkstatt von Stephan Horwege ein Upgrade erhalten haben. Soweit die Einleitung, es wird konkret:
Als Quelle nutze ich den 851N von Cambridge Audio bzw. ein Laufwerk (6000CDT) von Audiolab. Drei für das Gesamtergebnis sehr relevante Vorverstärker stammen von Vincent (SA-32), Quad (Artera Pre) und Audio Research (LS17SE). Ursprünglich war ein Vollverstärker (8300A) von Audiolab in Betrieb, dessen Nachfolge durch einen zunächst unbekannten Vorverstärker und die 8300MB Mono-Endstufen realisiert wurde. Zwischen dem Streamer und dem Pre bildet ein XLR-Kabel von VdH die Verbindung (The Rock, definitiv rock solid!), danach folgt ein symmetrisches VdH D-102 III zu den Endstufen. Die letzten 75cm zum Lautsprecher werden mit einem CS-122 Hybrid von VdH verbunden. Alle Geräte beziehen den Strom aus hochwertigen Netzkabeln und einer soliden Netzleiste. Die Qualität der Countach lässt sich durch ein normatives Kriterium beschreiben: Sämtliche Änderungen der Elektronik und beim Zubehör sind jederzeit nachvollziehbar. Eine exakte und authentische Analyse basiert auf reproduzierbaren Effekten - das ist hier eindeutig gegeben. Die Countach generieren ein Klangpanorama, dass die Güte der elektronischen Vorarbeiter ohne Anstrengung nachvollziehbar macht. Das ist bei der Entscheidungsfindung für im Zweifel teure Komponenten eine gewichtige Variable. Wenn die Elektronik liefern kann, erzeugen die Countach ein in Breite und Tiefe gut lokalisierbares und in der Größe der Instrumente realistisches Bild der Phantomschallquellen. Ob man Lust auf ein Stadionkonzert, das Jazzquartett oder einen Kirchenchor hat, reduziert sich auf die Geschmacksfrage - nicht auf die Limitierung durch Schallwandler, die den Genuß störende Schwächen haben. Hier finden wir nicht die beste Box der Welt, das will ich auch nicht sagen. Wenn dies so wäre, bräuchte niemand das Zehnfache an Euros zu investieren. In meiner spannenden Odyssee zu den Grenzen dieser Schallwandler fiel auf, dass der SA-32 eine exzellente Autorität im Bass generiert. Das ist definitiv heftig und leuchtet die Grenzen des Machbaren aus. Leider war der SA-32 im Hochtonbereich etwas sparsam; das konnte ich auch durch Einwinkeln der Boxen nicht retten. Sonst wäre die Suche nach einem Vorverstärker damit beendet gewesen und das hätte viele Euros gespart. Der folgende Quad offeriert die beste Bedienbarkeit. Er war im Klangbild schnell und agil, aber schlank und hell - in den Höhen sogar mit einer Tendenz zur Härte. Hübsches Gerät, aber klanglich nicht mein Fall. Dem Sound der Röhren wollte ich auf den Grund gehen, daher wurde hier ein Fokus gesetzt. Mit dem LS17SE bewegt man sich im Einstiegsbereich dieses Herstellers, Geräte zum Gegenwert eines Sportwagens sind auch im Portfolio. Hier habe ich den für meine Ohren besten Kompromiss gefunden; der aufwändige Umbau bei MC Horwege ist nicht ganz billig, aber über jeden Zweifel erhaben. Das Klangbild wirkt nun deutlich informativer und frischer; Auflösung, Räumlichkeit und Präzision wie es die Aufnahme hergibt. Der Sound wirkt sehr natürlich und dynamisch, mit authentischen Klangfarben, ein exzellenter Live-Charakter. Diese Illusion entsteht auf der Basis eines straffen, sehr konturierten und "schnellen" Bassfundaments. Hier ist ein deutlicher Unterschied zum Vincent erkennbar, es wirkt durchaus authentisch und niemals blutleer, aber nicht so voluminös wie beim Vincent. Dem LS17SE gelingt das Kunststück, einerseits eine Fülle an musikalisch dichten Informationen zu liefern und andererseits niemals nervig zu klingen. Was will man mehr?
Kann man die Countach an einem Mini-Equipment betreiben? Vielleicht; es wird weitgehend schmerzfrei ablaufen. Der Genuß erfordert einen etwas höheren Aufwand - dann kann man bei reellen Kosten im Hifi-Luxusbereich schwelgen. Anders gesagt: Ich habe schon Lautsprecher vor den Ohren gehabt, die ein Vielfaches kosten und nicht annähernd diesen genialen Spaß, die Freude der Musiker und eine derart dichte Atmosphäre vermitteln konnten. Ohne jeden Zweifel wird das Versprechen von MC Horwege mit den Countach Realität: Wir wollen Musik hören - nicht die Elektronik. Wenn ich in Zukunft nochmal Lautsprecher baue, dann nur aus dem Interesse für andere Konzepte. Die Countach befreien auf sehr hohem Niveau vom Leidensdruck, wenn die wichtigste Komponente in der Kette nicht so kann wie die Musik das fordert. Hier geht was und ihr wisst jetzt, wie man dahin kommt.
In diesen Zeiten ist folgender Hinweis leider unverzichtbar: Dieser Text ist frei von sozialen Befangenheiten und Interessenkonflikten!
Happy listening