"Control Boards" - mit Fräsungen spielt's sich besser?

Dokumentation und Meinungen

"Control Boards" - mit Fräsungen spielt's sich besser?

Beitragvon Sebastian » Sa 5. Dez 2015, 15:54

„Alles fließt“, sagt Heraklit
„Alles schwingt“, sagt der Esoteriker.
„Alles hält die Füße still“, befiehlt der Hifi-Enthusiast. „Resonanzen kommen mir nicht in die Hütte.“

Bollernde Lautsprechergehäuse? Sofort beruhigen! Dünne Rigipswände, die im Takt des Basses mitschwingen? Raus damit!
Den Plattenspieler auf dem Fußboden spielen lassen? Kein Problem, wenn jeder anwesende Musikfreund sofort und für immer zur Salzsäule erstarrt.

Doch wie steht es um unseren Enthusiasmus, wenn wir in Bereiche vorstoßen, in denen Resonanzen mit der Hand nicht mehr erspürbar sind?
Dort, wo kein Lautsprechergehäuse vibriert, keine Wand bei Bassschlägen erzittert, keine Plattennadel aus der Rille springt?
Dann zweifelt der geneigte Hififan am Vorhandensein irgendwelcher Einflüsse. Meine These: Im Bereich des Kleinsten fehlt uns die Phantasie, die Anschauung.

Scheißegal, wie wackelig ein CD-Player steht. Nullen und Einsen kann nichts beeinflussen. Basta! „Probieren geht über studieren“, sagte damals ein Kumpel.
Mit spöttisch herabgezogenen Mundwinkeln schob ich die von ihm mitgebrachten Gummifüßchen - weiche, zwei Zentimeter dicke Halbkugeln - unter den Arcam.
Tatsächlich. Hörbare Unterschiede. Der Bass wurde schwammiger, alles geriet blumig-verwaschen.
Weg mit dem Firlefanz, und die Darstellung war wieder im Lot. Ich triumphierte. Vorerst.
Denn – wenn es schlechter geht, sagte die Logik, geht es vielleicht auch besser.

Ähnlich muss es auch Ingo Hansen ergangen sein. Der umtriebige Pionier auf dem Gebiet alles scheinbar „Abseitigen“
experimentiert seit Jahrzehnten mit Hifizubehör.
Da gibt es die wildesten Sachen. Blaues Licht. Chips, die man auf Geräte klebt. Geräteböden, in die eigenartige Muster gefräst sind.
Mit letzteren hat sich Roman beschäftigt. Er hat kurzerhand die „Formel“ der Fräsmuster eigenhändig auf 12 mm dünne Mdf-Platten übertragen
und so im Handumdrehen die Boards nachgebaut. So kostet nur wenige Euro, was sich Herr Hansen gut bezahlen lässt. Zu gut, wie ich finde.
Die Entwicklerarbeit in Ehren. Aber ich bin mir sicher, es liegt auch an seinen Mondpreisen, dass seine Produkte in Foren schnell als Voodoo belächelt
oder als Betrug an der Menschheit bekämpft werden. Ob zu recht oder unrecht, will ich nun herausfinden.

Von Roman beziehe ich vier bereits fertig gefräste Bretter – oder, um im Edeljargon von Ingo Hansen zu sprechen: „Control Boards“. Los geht`s.
Meine 25 mm dicken Buche-Multiplexböden ziehe ich unter den Komponenten heraus und schiebe die nur 12 mm dünnen, mit Fräsungen versehenen Boards ins Rack.

DSC00969 kl2.jpg
Wenn sich hier ein Unterschied zeigen sollte, so meine Vermutung, dann durch die von außen einwirkenden Schallwellen auf die Geräte und Böden:
Kein Schallereignis im Raum, keine Wirkung durch die Control Boards. Diese These kann ich leicht überprüfen:
Ich hole den HD600 aus dem Schrank und stecke ihn in den Kopfhörereingang des Symphonic Line.
Gemäß meiner Theorie dürfte jetzt kein Unterschied hörbar sein, da kein Schall auf die Geräte wirkt.
Ganz und gar erstaunlich, was mir dann aus den Kopfhörern entgegenschallt. Instrumente werden klarer herausgearbeitet.
Feine Nuancen sind hörbar, die vorher verwaschen waren. Die Bühne ist weiträumiger. Und die Musik blutärmer, technischer.
Ich gewinne auf der einen und verliere auf der anderen Seite.
Bei gezogenem Kopfhörer ist das Resultat das gleiche. Vielleicht noch einen Tick stärker.
Ich wechsle von der CD zur Schallplatte. Gleiche Wirkung. Gleiches Urteil.

Egal ob LP oder CD: Der Bass wird schlanker, fester, konturierter. Und dünner. Letzteres in einem Maße, dass mir zu weit geht. Bass, Oberbass, untere Mitten sind betroffen.
Sogar eine gewisse Hibbeligkeit in der Präsentation kommt hinzu. Oder war die schon immer da, im Verborgenen, überdeckt von einem fetten Oberbass, und wird jetzt erstmalig hörbar?
Ich frage mich außerdem, ob die Musik jetzt farbloser dargeboten wird oder weniger verfärbt.
Und in Bezug auf Schallpatte muss ich feststellen, kann ich das Urteil nicht unabhängig vom Klangcharakter des verwendeten Phonovorverstärkers fällen.
Das Modul im RG 10 spielt schon alleine schlank auf. Zusammen mit den Boards wird‘s arg dünn. Mark Knopfler hat von Natur aus nicht die kräftigste Stimme.
Aber bei weitem nicht so verhungert wie er jetzt rüberkommt.
Ein schnell hinzugezogener, externen Musical Fidelity V90 kann Knopfler rechtzeitig wiederbeleben. Wieder bewährt sich die alte Hifiweisheit: Die Kette macht die Musik.
Ich tausche versuchsweise das Board vom CD Player zurück zu Buche Multiplex. Selbst der Wechsel nur dieser einen Auflage ist deutlich hörbar.
Jetzt ist die Welt wieder wärmer, runder, heimeliger. Nachteil: Der Raum wird enger, die Präsentation schrumpft zusammen. Ich gewinne, ich verliere.
Dennoch gefällt mir die Mischung in der Summe besser.
Als nächstes mache ich es genau anders herum. Der Verstärker darf wieder das dicke MPX-Buchenbrett bespielen, der CD-Player steht auf dem Control Board.
Auch interessant. Unterschiede zur ersten Variante sind vorhanden. Aber kleiner. Schwierig, ein klares Urteil zu fällen.
Resümee: fast möchte ich sagen: erschreckend. Die Wirkung der Böden ist enorm. In meinen vier Wänden leider nicht eindeutig zum Besseren.
Es gibt viel zu tun, es geht gerade erst los.

Die drastische Wirkung des Board-Wechsels vor Augen, vermute ich, dass selbst kleine Unterschiede zwischen Böden wahrnehmbar sind. Mdf statt mit 12 mm mit doppelter Stärke?
12 mm Boards nehmen, aber ohne Fräsung? Warum nicht? Ich wette, dass bei allen Änderungen kleine oder größere Unterschiede wahrnehmbar sind.
Laut Ingo Hansen hat selbst der Tausch des Furniers Änderungen zur Folge. Siehe hier.

http://www.audiophil-online.de/hifitest ... board.html

Und obwohl ich selbst gerade erst auf erstaunliche Unterschiede gestoßen bin, kann ich das dort Gelesene nicht so ganz glauben.
Oder will es nicht. Irgendwann ist auch mal gut, denke ich.

Wer zufrieden ist mit dem, was er hat, muss keine Boards testen. Es sei denn er hat Lust auf Experimente. Und die gehören zu unserem Hobby dazu wie die Butter zum Brot.
Vielleicht gewinnt er dann ganz erstaunlich hinzu. Wem die Darstellung zu dicklich und verwaschen ist, der kann sich auf etwas gefasst machen.
Vielleicht auch dann, wenn schon alles super ist. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich muss weiterexperimentieren.
Dass auf diesem Gebiet prinzipiell etwas zu holen ist, hat mir der Test unmissverständlich gezeigt.

Sebastian Schneider
Sebastian
 

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