- Der Klang und Ton Hörraum
Thomas
Am 14. Juni stand in den Räumen der Klang & Ton in Duisburg ein sehr kurzfristig anberaumter Hörtesttermin an. K&T erscheint alle 2 Monate. Die Redakteure veröffentlichen dort Lautsprecher Eigenkonstruktionen, Bausätze der verschiedenen Distributoren (Lautsprechershop, Blue Planet Acoustic, Achenbach etc.) und auch Eigenkonstruktionen aus der Leserschaft.
Da die Hörtesttermine im letzten Jahr sehr rar waren, habe ich nach der Veröffentlichung unmittelbar zwei Plätze reserviert und bin mit Sebastian hingefahren.
Sebastian:
Der Termin war von der Redaktion sehr kurzzeitig angesetzt worden ,und als wir nach zweieinhalbstündiger Fahrt von Hannover nach Gelsenkirchen vor der Einfahrt zum Redaktionsgebäude auf leerer Straße standen, kamen uns Bedenken, ob die Veranstaltung vielleicht ebenso spontan wieder abgesagt worden war, etwa aufgrund der Sturmschäden, mit denen benachbarte Städte zu kämpfen hatten.
Wie sich aber herausstellte, waren wir einfach nur die ersten Besucher. Deswegen sitzt Thomas auf meinem Foto so mutterseelenallein im großen Hörraum.
- Thomas auf grünem Sofa
Thomas:
Im Verlauf eines Hörtests haben die Gäste die Hoheit über die Fernbedienung, dürfen Musik mitbringen, bestimmen was gespielt wird sowie die bereitgestellten Lautsprecher anschließen und in Position bringen. Die Redakteure stehen außerhalb des Hörraumes für Fragen bereit und vertilgen die von den Gästen mitgebrachten Snacks.
Der Hörraum ist ca. 50qm groß und stark bedämpft, was für wenig indirekten Schall sorgt. Der Hörtest läuft von ca. 14:00 Uhr bis mindestens 18:00 Uhr.
Zu diesem Termin waren insgesamt sechs Boxenpaare zum Test bereitgestellt. Fünf der Boxenpaare sind in den vergangenen zwei Ausgaben der K&T vorgestellt worden. Die Nada, eine Eigenkonstruktion, die verlagsintern als Referenz für verschiedene Zeitschriften (einsnull, LP, etc.) genutzt wird, war ebenfalls bereitgestellt. Die Elektronik war auch mehr als amtlich. Ein Accuphase E600 Class A Vollverstärker, der von einem CD-Player aus gleichem Hause gefüttert wurde.
Die getesteten Lautsprecher findet ihr unter
http://www.lautsprechershop.de Bausätze Zeitschrift K&T dort scrollen bis zu Namen der Box.
Natürlich hat man neben dem Gesamterlebnis auch ein Ziel bei einem solchen Termin. Meines war die Ophelia. Eine Eigenkonstruktion der K&T aus der vorletzten Ausgabe, die komplett mit Scan Speak Chassis bestückt ist und (ohne Holz) ca. 950 € pro Stück kostet. Sie ist als 2 ½ Wege Konstruktion mit zwei 17 cm TMT und einer Hochtonkalotte mit Beryllium-Membran bestückt. Die Box haben wir als erste mit dem verschiedensten Material gehört. Da sie das klaglos mitgemacht hat, haben wir die Lautstärke soweit gesteigert, bis Konzertlautstärke erreicht war. Der Lautsprecher hat einen ungemein präzisen, substanzvollen Bass, der auch bei hohen Lautstärken nicht aufweicht. Er reicht natürlich nicht so weit hinab wie ein 38 cm TT und wirkt auch nicht so mühelos, für die Größe aber Klasse. Im Mitteltonbereich lieferte die Ophelia eine saubere Vorstellung ab. Dies kann man vom Hochtonbereich, bei hohen Lautstärken, nicht sagen. Die Ophelia wirkt hier leicht überzeichnet. Bei einigen Musikstücken konnte man auch deutlich Schärfe heraushören – Schade, sonst wäre das eine tolle Box für größere Räume. Die räumliche Abbildung war in der Breite präzise und gut ortbar, hatte aber nur wenig Tiefe. Da ich dies tendenziell auch bei allen anderen Lautsprechern an diesem Tag so gehört habe, liegt das wohl nicht an der Ophelia. Zum Schluss hätte ich sie fast noch beschädigt, da ich beim wegrücken nicht berücksichtigt habe, dass das Hochtongehäuse nur lose aufliegt. Das wäre teuer geworden, denn der Hochtöner macht etwa den halben Boxenpreis aus.
Sebastian
Hauptantrieb auch meiner Neugier war die Ophelia, die im Gegensatz zu unserer Illu18GL zwei Bässe besitzt (Typ 18W/8531G00), jeder dafür nur halb so teuer wie unser Illuminator-Chassis, sowie eine Berylliumkalotte, die auf den sexy Namen D2908/714000 hört. In ihrem Mai-Heft hatten die Redakteure die Box als erst zu nehmende Konkurrenz zur „Nada“ angepriesen, eine Kompaktbox, die K&T im Jahre 2011 entwickelt hatte und bei der Redaktion bis heute als Referenz fungiert.
Thomas und ich hatten die Nada mit modifizierter Weichenschaltung und in leicht abgespeckter Form (statt der Berylliumkalotte eine hochwertige Gewebekalotte) nachgebaut, vom Scan Speak-Importeur Axel Oberhage (AOS) unter dem Namen Illu18GL angeboten.
Die Ophelia liegt preislich nur leicht darüber, nun wollte ich hören, ob ich mir Sorgen machen muss und mein Portemonnaie in Gefahr gerät. Ergebnis: leider … nein. Meine Eindrücke decken sich mit denen von Thomas. Der Bass zeigte gnadenlose Attacke und Druck, der Mittelhochton bzw. der Übergang in diesem Bereich gefiel manchmal nicht mehr ganz so, und insbesondere die Höhen nervten mit einer gewissen Aufdringlichkeit, ja bisweilen sogar Härte und Schrille. Später sprachen wir darüber noch mit Holger Barske, dem Chefredakteur des Magazins, der unseren Eindruck weitgehend bestätigte. Das Erstaunliche: messtechnisch ist die Berylliumkalotte auf höchstem Niveau, gnadenlos linear und Verzerrungen gibt es erst oberhalb von 30 Khz.
Thomas
Als nächstes kam eine Konstruktion des Lautsprechershops, die Angara II, zu Gehör. Die Box ist etwa 1,20 m hoch. Ihr Antrieb besteht auch aus zwei 17 cm TMT, die in D’Appolito Anordnung um den HT verteilt sind. Als HT sitzt in der Mitte ein großer AMT (Air Motion Transformer). Die Box zeigt auf Anhieb einen sehr stimmigen Hoch- und Mitteltonbereich. Der AMT klingt außerordentlich breitbandig, ohne jede Schärfe – audiophil. Im Tiefton fällt zuerst auf, dass sie im Oberbaß ohne die kleine Übertreibung auskam, die bei der Ophelia noch zu bemerken war. Als wir dann auch dort den Lautstärkeregler weiter aufgedreht haben, kam doch noch eine Eigenart zutage, die wir ohne diese hohe Lautstärke und den Vergleich zur Ophelia wohl nicht so registriert hätten. Mit zunehmender Lautstärke mogelte sich die Angara zunehmend um präzise Bassimpulse herum. Das ist sicher bei mittleren Lautstärken und kleineren Räumen kaum bis nicht merkbar, aber in dem großen, trockenen Raum wurde die Box gefordert und konnte leider nicht vollständig überzeugen. Schade, aber vielleicht wird ja eine Box mit dem HT der Angara und dem Tiefmitteltonbereich der Ophelia ein Überflieger………..
Den goldenen Mittelweg stellt die deutlich kleinere Nada da, die im Tiefton keine Bäume ausreisst, aber sehr präzise und druckvoll zu Werke geht. Im Hochton und in den Mitten schlägt sie eine Linie zwischen der Ophelia und Angara ein. Sie zeigt trotz ähnlichem HT keine Schärfe, ist aber etwas akzentuierter als die Angara unterwegs. Was man lieber mag ist sicher Geschmacksache und wird auch mit wechselnder Raumakustik anders beurteilt werden. Für mich ist die Nada nach wie vor ein Traumlautsprecher – na ja, nicht ganz. Sebastians und meine AOS ILLU 18 GL sind ganz ähnlich aufgebaut und klingen tendenziell auch sehr ähnlich.
Sebastian:
Der Hörtest der Nada brachte für mich erstaunliches zutage. Die Nada ist im Gegensatz zu unserer Illu18GL als geschlossene Box konzipiert. Auch die Illu18GL kann man testweise geschlossen betreiben, wenn man z.B. ein Nadelfilz in den Reflexkanal (der als Schlitz ausgeführt ist) schiebt. Dadurch wird der Lautsprecher geringfügig präziser, verliert jedoch einiges an Bassdruck. Wir haben daher die Illu so gelassen, wie sie ist; als Bassreflexbox.
Mit dem Klangeindruck beider Varianten noch im Ohr, war ich „bass“ erstaunt, welcher Bassdruck und Punch aus der Nada (geschlossen) kam. Das erziele ich mit der Illu nicht mal bassreflexmäßig. Und da wurde mir, nun, „schmerzlich“ wäre sich übertrieben, also zumindest wurde mir klar, welchen Anteil der Akkuphase an der Bassdarbietung hat, nämlich einen schwerwiegenden. Mit meinem RG 14 bin ich immer noch zufrieden, aber der Accuphase E600 hat ihm doch in vielerlei Hinsicht die Grenzen aufgezeigt. Wenn ich mal zu ganz viel Geld komme …
Thomas:
Mit den großen Lautsprechern anzufangen war sicher ein Fehler. Nun kam nur noch „Kleinholz“, dass an die Lautstärke und Basstiefe der drei ersten Probanden nicht heran kommen konnte.
Als nächstes haben wir die „Tristar 4 Ribbon“ angeleint. Die ist mit Bändchen HT und 10 cm Titan TMT bestückt. Ich mache es kurz. Die Box hat mir nicht so gut gefallen. Die Mitten klangen leicht kehlig und die Box erschien mir insgesamt etwas langweilig. Wir haben sie trotzdem relativ lange gehört. Im Gespräch kam dann heraus, dass sich kaum einer der anderen Hörer traute die Boxen hin und her zu schieben und die Musik zu wechseln.
Das war eigentlich schade, denn als nächstes haben wir die „Hans Georg“ herangerückt. Die ist eine kleine Leserkonstruktion, mit 6 Liter Nettovolumen, Kalotte und 10 cm TMT. Erstaunlich, was da raus kommt. Die Tristar wird von ihr tonal locker in die Tasche gesteckt. Die Musik kommt ohne jede Schärfe und ohne wirkliche Fehler. Natürlich ist eine so kleine Box im Tiefton und in der Lautstärke limitiert. Angesichts des Einsatzes (85 € ohne Gehäuse pro Stück) ist ihre Leistung aber alle Ehren wert.
Als letzte Box des Vergleichs haben wir die Cornetto gehört, die geht auch unter dem Begriff Schreibtischhorn durch. Hier arbeitet ein 8 cm kleiner Breitbänder der chinesischen Firma Tang Band in einem kleinen, schuhkartongroßen(!) Hornreflexgehäuse. In der Zeitschrift hatte ich das Teil wegen seines welligen Frequenzganges schon fast abgehakt. Bei ihrer Darbietung blieb mir dann fast die Spucke weg. Ich habe Zuhause auch eine Piccolino 2, mit 8 cm Vifa Breitbänder und (65 cm) Transmissionline, aber der Sound der Cornetto macht noch mehr an. Der bruchlose Mittelton, der sich bei Breitbändern wegen der fehlenden Weiche gern einstellt ist hier auch wieder vorhanden. Beide Lautsprecher sind übrigens mit einem Sperrkreis gegen zu vorlaute Mitten ausgestattet. Die Mitten der Cornetto sind jedoch etwas offensiver als die der Piccolino. Die Höhen sind ebenfalls deutlich ausdruckstärker ohne zu nerven. Das bringt nicht nur mehr Spaß, sondern auch die mit Abstand beste räumliche Darstellung aller gehörten Boxen. Die Instrumente werden in Breite und Tiefe gut gestaffelt in den Raum gestellt. Natürlich ist der Sweet Spot recht klein, aber das ist dem Prinzip Breitband geschuldet. Der Bass des kleinen Breitbandtreibers ist eine Wucht. Laut Frequenzschrieb wird er zu niedrigen Frequenzen lauter um dann unterhalb von 70 Hz steil abzufallen. Aber 70 Hz aus einem „Schuhkarton“ und dass bis zu mehr als respektabler Lautstärke ein geniales Ergebnis. Unglaublich was die in dem viel zu großen Raum abliefert.
Für mich ist die Cornetto die Entdeckung des Hörtests. Auch wenn Sie nicht an die Lautstärke und Basstiefe der beiden großen Boxen herankommt, hat sie Qualitäten, die man in der Ausprägung selten findet. Obwohl das Vergnügen nicht ganz billig ist (137 € ohne Holz pro Stück), für den Schreibtisch ist sie definitv viel zu schade.
Sebastian
Jawohl, die Cornetto rockt. Als kleiner Gag am Rande: hinter uns saß ein Herr, der kaum davon abzubringen war, uns ungefragt die Notwendigkeit 38 cm großer Basstreiber nahezubringen, als Kompromisslösung, denn eigentlich braucht man für sein Wohnzimmer zwei Eckhörner. Nun, eben dieser Mensch meinte dann bei der Cornetto, das sei ja eine tolle Sache, das würde ja direkt auch gehen. Einerseits zeigte er damit, dass er seine „Lehre“ nicht konsequent durchhielt, andererseits spiegelte sich darin sicher auch die Begeisterung für das, was das kleine Böxchen leistete.
Auch der Klangfarbenreichtum dieses Winzlings war sagenhaft. Ich werde sie nachbauen, jedoch mit geminderter Erwartung, denn wie schon beschrieben, hat der E600 seine Händchen hier ebenfalls mit im Spiel, und das nicht zu knapp. Besser nachher positiv überrascht werden als umgekehrt.
Mein Resümee: Mal davon abgesehen, dass mir Hörsessions sowieso viel Spaß bereiten, zeigte sich einmal mehr, dass nur der eigene Eindruck wirklich aussagekräftig ist. So hatten die Redakteure in der ersten Euphorie zur Ophelia geschrieben: „überragender Hochtonbereich dank Berylliumkalotte“, und „Geschlossenheit, Auflösung, Authentizität“, Aussagen, denen ich nur teilweise zustimmen mag.
Andererseits trifft die Beschreibung der Cornetto ins Schwarze: „Die Cornetto spielte sich an allem vorbei, was ich je neben dem Computer stehen hatte – satt, lebendig und räumlich.“ Jedoch hatte ich den Lautsprecher aufgrund des scherzhaften Titels („Zwergenaufstand“) und der geringen Abmessungen nicht so ganz erst genommen und auch die wenigen Sätze, die der Artikel über den Höreindruck verliert, werden der Leistung dieses Lautsprechers nicht gerecht.
Nach dem Hörtest sind wir dann gemütlich, aber teils in heftigem Schlagregen nach Hannover zurückgefahren.