Vor ungefähr 25 Jahren habe ich zuletzt mit einer Bandmaschine hantiert, eben mit der abgebildeten Sony TC-765. 30kg, ohne Fernbedienung, kein Titelsprung, mechanisch. Die Einführung der CD habe ich damals als grandiosen Fortschritt erlebt und das ist bis heute so geblieben, obwohl systembedingte Schwächen nicht zu leugnen sind. Als ich im Supermarkt eine dieser Hifi-Illustrierten durchblättert habe, stieß ich auf eine vergleichsweise aufwendig gestaltete Beilage, in der eine brandneue Bandmaschine angepriesen wurde. Ein deutsches Manufakturprodukt von Ballfinger; das soll der heilige Gral der analogen Heim-Aufnahmekultur sein? Natürlich zum Preis eines Klein- oder Mittelklassewagens, so ab ~10k€ bis über 26k€. Wer, außer ein paar (neureiche) Nostalgiker, denen das Viagra ausgegangen ist, braucht sowas? Ich verstehe es ja noch, dass Hifi-Dinosaurier als Eyecatcher gute Dienste leisten. In einer Vorstadtvilla auf einem Marmor-Rack mit Blattgoldverzierung macht sich so ein Bolide schon sehr nett. Als noch zahlreiche dieser Spulentapes in Wohnzimmern standen haben wir mit höchstwertigen Drehern einen Vergleich mit Vinylplatten durchgeführt: Zwei LPs, eine zehn Mal abgespielt, dann mit der anderen verglichen: Alleine durch den Verschleiß der Nadel-Abtastung waren Klangverluste hörbar. Mit analogen Aufnahmebändern verhält es sich nicht grundsätzlich anders. Zudem ist es nicht möglich, gute hochaufgelöste Digitalaufnahmen in der Qualität zu übertreffen - auch wenn die Jünger der Analog-Kultur dies anders
empfinden. Wenn ich Lust auf Analogsound habe, wähle ich einen entsprechendes Filter am DAC (Digital Audio Converter im Netzwerkplayer oder sonstigem Digital-Audio-Gerät) und "gut iss..."
Ballfinger formuliert es so aus: „Darüber hinaus – bei allen technischen Möglichkeiten heute und in Zukunft – ist davon auszugehen, dass wir Menschen noch lange die Körperlichkeit der Dinge immer der weitergehenden, durch technischen Fortschritt möglichen Reduktion vorziehen werden." Im Fachjargon nennt sich das "professionspolitische Legitimationsrhetorik" - und ich will nicht zurück in dieses analoge Gefummel mit Bandsalat, (Naß-) Läufern und "Umdrehen". Ich liebe digitalen Hifi-Komfort - das ist keinesfalls ein Widerspruch zu "analogem" Sound, wenn man seine Geräte entsprechend auswählt oder kailibriert. Wünschenswert wäre es, wenn Hi-Res Audio ein Massenphänomen wäre. Aber demnächst verkauft man uns bestimmt Titan-Grammophone und Schellackplatten als ultimativen Gerätestandard - dann weiß man: Die Hifi-Welt hat verstanden. Zumindest kann man damit keine 1:1-Kopien herstellen, die Plattenindustrie freut sich. Selbst wenn ich nochmal eine Bandmaschine erwerben würde, wäre die "Körperlichkeit" nicht so ein klobiger Kasten.
Happy listening