Dann will ich auch mal...
I. Im Goethestudio ...Kurz nach elf nahmen die Hifizirkelisten im Vorführstudio des Goethestudios Platz, um von Herrn Ziert in die Unterschiede zwischen Netzleisten und Netzkabeln
eingeweiht zu werden. Manfred Ziert begrüßte die Gruppe und stellte die Elektronik vor.
Als Verstärker kam ein Symphonic Line RG 10 der jüngsten Baureihe zum Einsatz, dazu ein CD-Spieler aus gleichem Hause, ja genaugenommen nicht „ein“,
sondern eben der „CD-Spieler“. Der Schallwandler, eine traumhaft schön verarbeitete Dali Epicon 6, überzeugte uns bald mit hervorragender, unangestrengter
Auflösung und farbiger Darstellung.
Zum Start des Hörparcours bezog die Elektronik ihren Saft aus einer Baumarktnetzleiste, genau das, was ich bei mir zu dem Zeitpunkt in Verwendung hatte.
Schließlich kann man die (bereits ausgeschaltete) Anlage beim Verlassen der Wohnung am Schalter mit einem schnellen „Klack“ nochmals vom Netz nehmen.
Praktisch, oder?
Die ersten Töne füllten den Hörraum. Trotz der teuren Kette tönte es ein wenig giftig aus den Lautsprechern, gerade im oberen Frequenzspektrum. Ein
ahnungsloser Zeitgenosse könnte versucht sein zu fragen, warum er zehntausende Euro für einen so angestrengten, fast schrillen Sound ausgeben sollte.
Doch siehe da, dieser Effekt war bereits mit dem Wechsel auf die 40 Euro-Music-Line Netzliste von Naim fast vollständig verschwunden. In der Deutlichkeit
hatte ich die Unterschiede nicht erwartet. Darauf folgte ein zweifaches Upgrade der Netzkabel. Das Silent Wire AC 16 mk2 schließlich öffnete den Raum weit
in die Breite und Tiefe und brachte eine erhöhte Konturschärfe der Instrumente zutage. Nochmals ein deutlicher Zugewinn, auf den man bei solch einer
hochwertigen Anlage keineswegs verzichten sollte. Selbst angesichts der 500 Euro pro Netzkabel war der Preis-Leistungs-Gegenwert in dieser Kette sehr hoch -
fast möchte ich sagen, als Besitzer solch einer Kette wäre man blöd, das Geld nicht zu investieren.
Die Vorführung hatte Herr Ziert gut strukturiert, alle Veränderungen waren klar nachvollziehbar und wurden von ihm jeweils mit kurzen Erläuterungen versehen.
Schließlich erfolgte der Wechsel auf eine 1000 € Netzleiste, ohne Zuleitung wohlgemerkt. Die schlug nochmals mit demselben Betrag zu Buche. Der Unterschied
war nun nicht mehr so groß wie bei den vorhergehenden Schritten, dennoch klar wahrnehmbar, aus der Erinnerung würde ich sagen eine Spur agiler, offener und
nochmals von stabilerer Abbildung. Und wie das so ist, wenn man den Fortschritt einmal gehört hat, will man nicht einsehen, warum man wieder einen Schritt
zurücktreten muss. Wenn da nicht der innere Finanzminister dagegen wäre…
Nachdem unsere Wahrnehmung durch die vorangegangenen Vergleiche geschärft war, traute sich Herr Ziert, einen Gegenstand zur Vorführung zu bringen, der im
Hifi-Forum von unermüdlichen Kämpfern für den gesunden Menschenverstand und die Rettung des Abendlandes mit Robespierre‘schem Eifer binnen Sekunden als
schlimmstes Voodoo enttarnt worden wäre, ohne natürlich das Ding selbst ausprobiert zu haben. Nun gut, auch wir waren erst einmal verwundert - ein Stecker mit
einer Füllung aus Kristallsteinen, der lediglich in die Netzleiste gesteckt wird, ohne im Signalweg zu liegen? Doch selbst hier war eine Veränderung der Wiedergabe
erkennbar, ohne Mühe und von allen wahrgenommen - jedoch nicht von allen als Gewinn bewertet. Von mir erst einmal schon. Wenngleich ich im weiteren Verlauf
unsicher wurde. Die Wirkung war über das ganze Spektrum wahrnehmbar, mir fiel besonders der Unterschied bei Stimmen positiv auf. Sie traten stärker in den
Vordergrund, wurden nochmals farbiger und kräftiger. Gleichwohl kritisierten einige Hörer, dass der Stecker, wie auch immer er das anstellte, den Grundton zu
„betonen“ schien, bei zurückgenommenem oberen Spektrum.
Nach einer Pause wurde nochmals Musik genossen und der Stecker ausprobiert. Manchmal mit Ansage durch Herrn Ziert, manchmal heimlich, so dass erst nach
seiner Entfernung auffiel, was plötzlich verloren gegangen war – oder wieder hinzukam, je nach Einschätzung und Geschmack. Mich jedenfalls begeisterten Kontur
und Körper, die er der Stimme des gehörten Bluessängers verlieh. Nach mehr als zwei Stunden Testspaß und Musikgenuss näherte sich der Workshop dem Ende und
unser aller Puls neuen Höhen, denn jetzt lockte die Verlosung der Naim-Netzleiste und des Silent Wire Netzkabels.
"audioviel" als derjenige, der die Veranstaltung dankenswerter Weise ins Leben gerufen hatte, verzichtete darauf, an der Verlosung teilzunehmen. Da war ehrenwert, denn
so erhöhte sich die Gewinnchance für alle anderen. Und so hatte ich das erste Mal in meinem Leben „fettes“ Losglück und konnte beim abschließenden Fototermin
das Köfferchen mit dem Silent Wire Netzkabel breit grinsend ins Bild halten. Um diese Edelstrippe nicht in meine Baumarktleiste versenken zu müssen, erstand in noch
die Naimleiste dazu. Mein Spieltrieb brachte mich außerdem dazu, mir übers Wochenende „testweise“ den Netzstecker „auszuleihen“, im Hinterstübchen wohl wissend,
dass dieses „Ausleihen“ eher ein Selbsttäuschungsmanöver darstellte, um mein Gewissen wegen der ungeplanten Ausgabe zu beruhigen.
II. ... und zuhauseAuf dem Heimweg fragte ich mich, wie viel von den erhörten Unterschieden zwischen Standardequipment und hochwertigen Komponenten übrig bliebe an meiner nicht
schlechten, aber doch deutlich weniger hoch auflösenden Anlage – bestehend aus SL RG 14 Edition, Arcam CD 23 und Illu 18 GL von AOS, bzw. Karl-Heinz Fink (Weichen-
entwicklung).
Nun sind Scan Speak Chassis, etwa die der Revelator-Serie, in der Vergangenheit nicht durch schwer kontrollierbare Temperamentsausbrüche aufgefallen. Die in der
Illu 18 GL verbauten Chassis stammen hingegen aus der neueren Illuminator-Serie. Der 18er TMT z. B. liefert mit seiner Neodym-Unterhangspule, der steifen Membran
und 9 mm linearer Auslenkung (16 max.) einen hochdynamischen Bass. Die Trennung zum Hochtöner D3004/6600 muss im Gegensatz zu den Revelatorchassis aufgrund
von Resonanzen jedoch steiler erfolgen (hier mit 18 db). Bei aller Qualität des Lautsprechers hat mich bisher immer der etwas zu forsch agierende Hochtonbereich gestört.
Sei es aufgrund der Charakteristik des HT oder einer leichten Überbetonung durch die Frequenzweiche. Eine Fehleinschätzung, wie sich bald herausstellen sollte.
Mit Stromkabeln hatte ich bereits vorher experimentiert, zuerst überaus skeptisch, dann erstaunt, schließlich mit kindlicher Experimentierfreude gesegnet. Verschiedene,
in nur ein Meter Länge gekaufte Lautsprecherkabel (Black & White reference, Kimber 12 TC, 12 TC All Clear) wurden zu Stromkabeln umgebaut. Auch eine Konstruktion
von Blank Audio mit parallelen Flachbandkabeln fand den Weg in die Kette. Um es kurz zu machen: sie haben sich alle tapfer verteidigt, besonders das Blank und das
12 TC All Clear, aber letztlich konnte sich das Silent Wire AC 16 relativ eindeutig die Krone aufsetzen.
Stunden zuvor hatte bereits die Naim Steckerleiste eine deutliche Ruhe ins Klangbild gebracht. Im Zusammenspiel mit dem Silent Wire (der Name ist hier Programm) herrschte
schließlich eine ungewohnte Ruhe beim Musikhören. Kein aufgesetzter Hochton, keine Nervosität, nichts Störendes. Im Gegenteil. Da ich mich in das alte Klangbild eingehört
hatte, fehlte mir bei Rockmusik bisweilen fast eine gewisse Fetzigkeit. Hochwertige Aufnahmen mit akustischen Instrumenten und gut aufgenommenen Stimmen profitierten
eindeutig und ohne jede Diskussion. Im Prinzip auch die Rockscheiben, nur wurden sie noch stärker durchleuchtet, so dass sich aufnahmetechnisch, deutlicher als zuvor, die Spreu
vom Weizen trennte.
Der „Wunderstecker“ brachte die Balance schließlich völlig auf die Seite, wie soll ich das formulieren, der „wohligen Musikalität“. Eine schlimme Formulierung, ich weiß. Wenn
ich jemanden mit Stimmen beeindrucken will, stecke ich das Teil in die Leiste. Bei Rockmusik bleibt es draußen. Mal schauen, die Experimentierphase ist noch nicht abgeschlossen.
Jedenfalls ist die Wirkung überraschend, da ja elektrisch nichts im Signalweg liegt und eigentlich gar nichts passiert, resp. passieren kann. Gerade das macht mir diebische Freude.
Die Wirkung der Einzelmaßnahmen tritt bei mir nicht dermaßen plastisch hervor wie im Goethestudio - die dort genossene Kette kostet immerhin etwa das Vierfache - dennoch ist
alles nachvollziehbar und wird unverzichtbar, nachdem es erst mal seinen Weg in die Kette gefunden hat.
Was bleibt am Ende? Eine unangestrengter und farbiger aufspielende Musikkette als zuvor.
Und der Gedanke, vielleicht irgendwann ein zweites AC-16 mk2 „auszuleihen“ … Und natürlich die Freude auf den nächsten Workshop im Goethestudio und der Dank an alle Aktiven,
die zu dem gelungenen Samstagvormittagevent beigetragen haben.
Sebastian